Senate-Magazin: „Verantwortung lebt von Verhalten“ – Senator Rainer Haug zum „Klebstoff“ seiner Unternehmensgruppe

29. Apr. 2022Betreuungsstellen, Bewerber*innen, Jugendämter

In der aktuellen Ausgabe des Senate-Magazin für Politik, Gesellschaft und eine Ökosoziale Marktwirtschaft gibt Senator Rainer Haug ein Interview zum Thema „Werteorientierung – Verantwortung lebt von Verhalten“. 

Das Interview finden Sie direkt im Senats-Magazin auf Seite 54 oder im nachfolgenden Artikel.

Die haug&partner unternehmensgruppe wurde 2009 gegründet und besteht aus sieben teils gemeinnützigen Gesellschaften, die bundesweit vor allem im Bereich der sozialen Arbeit und damit zusammenhängenden Arbeitsfeldern tätig sind.

Das gemeinsame Handeln in der haug&partner unternehmensgruppe basiert auf einem Wertesystem, das gemeinsam mit angestellten Mitarbeitenden und Kooperationspartner*innen im Rahmen eines Jahresthemas in einem gemeinsamen einjährigen Prozess intensiv entwickelt und verabschiedet wurde.

Der Gesamtleiter der haug&partner unternehmensgruppe Senator Rainer Haug berichtet im Interview über die Bedeutung der Wertefrage in seiner Unternehmensgruppe

 

Herr Haug, wie definieren Sie in der haug&partner unternehmensgruppe den Begriff „Werte“ und warum halten Sie dieses Thema für wichtig in Ihrer Arbeit?
Unter Werte verstehen wir die Grundsätze, nach denen eine Gesellschaft oder eine Gruppe von Menschen ihr Zusammenarbeiten, richtet oder richten will. Werte leiten unserem Verständnis nach das Verhalten von Menschen und auch von Unternehmen. Werte haben eine priorisierende Wirkung; sprich, sie stellen ein Schwerpunkte erzeugendes System für das Denken und Handeln her. Die haug&partner unternehmensgruppe definiert sich in ihrer Arbeit als eine Wertegemeinschaft, die über einen gemeinsamen Wertekanon verfügt. Die philosophische Ethik definiert den Begriff Werte als etwas Wünschens- und Erstrebenswertes; ich möchte es ergänzen um den Begriff des zu Erarbeitenden.

Diese gemeinsamen Grundsätze stellen in der Unternehmensgruppe das verbindende Element für alle unsere einzelnen Gesellschaften dar. Werte liefern ein Koordinatensystem für alle Mitarbeitenden. Gerade in einer Unternehmensgruppe, deren einzelne Gesellschaften teilweise räumlich weit voneinander entfernt agieren, ist dieses Koordinatensystem von wesentlicher Bedeutung. Die erarbeiteten Werte dienen den Mitarbeitenden als Orientierung, als Kompass und bilden wo immer möglich die Basis für Entscheidungen. Wichtig ist für alle Gesellschaften der haug&partner unternehmensgruppe, dass die definierten Werte immer ihren Übergang zu Handlungsprinzipien finden.

 

Im Erarbeitungsprozess haben sich die Werte Transparenz, Verantwortung, Leistungsorientierung, Wertschätzung und Integrität herauskristallisiert. Können Sie exemplarisch einen dieser Werte erläutern und auf den Alltag in Ihren Gesellschaften übertragen?
Als Beispiel möchte ich den Wert der Verantwortung nennen. Menschen handeln nicht in einem Vakuum, sondern sind immer mit anderen Menschen in Kontakt. Das trifft im Besonderen auf unser Arbeitsfeld der sozialen Arbeit zu. In diesen Kontakten mit anderen Menschen sollten wir meines Erachtens immer auch die kurzfristigen und langfristigen Konsequenzen unserer Handlungen berücksichtigen, und zwar, sofern dies möglich ist, bevor wir sie ausführen. Ein Mitarbeitender in einem Unternehmen agiert dann verantwortungsvoll, wenn er sich auf Grundlage seiner ethischen Beheimatung in der Verantwortung für die Konsequenzen seiner Handlungen sieht. Dies gilt im Übrigen auch für das Nichthandeln. Im Alltag der haug&partner unternehmensgruppe übernehmen Führungskräfte eine Vorbildfunktion. Verantwortungsvolle Führung impliziert, dass Mitarbeitende wertgeschätzt werden. Diese Kultur der Verantwortung impliziert meines Erachtens auch eine Fehlerkultur. Fehler passieren nun mal. Wenn Probleme offen angesprochen werden können, ohne dass der- oder diejenigen Nachteile erwarten muss, wird verantwortungsvolles Handeln in Unternehmen zunehmen. Verantwortung lebt letztendlich von Verhalten.

 

Kurz zu Ihrer Praxis in jedem Geschäftsjahr ein sogenanntes Jahresthema zu bearbeiten. Was erhoffen Sie sich davon?
Ich halte es für unsere Unternehmensgruppe wichtig, dass es neben aller gewollten Unterschiedlichkeit der einzelnen Gesellschaften jedes Jahr auch ein gemeinsames Projekt gibt. Dieses Projekt hebt sich aus dem Alltag heraus. Es ist hochinteressant zu sehen, wie die Beschäftigung mit dem Jahresthema von dieser Unterschiedlichkeit lebt und inspiriert wird. Auffallend ist auch, dass ein Thema, das einmal zum Jahresthema erkoren wurde, nachhaltig Bedeutung erhält und fest im Unternehmensalltag verankert ist.

 

Zurück zu den Werten: können Sie kurz schildern, wie diese Werte erarbeitet wurden?
In der hier gebotenen Kürze kann ich das natürlich nur sehr oberflächlich darstellen. Nach der grundsätzlichen Klärung zur Definition von Werten haben wir versucht, diese Werte mit unserer betriebsinternen Kultur abzugleichen und dafür Positiv- und Negativbeispiele zu benennen. In Folgeschritten haben wir über notwendige Maßnahmen reflektiert und den Einsatz von Multiplikatoren bestimmt. Der gesamte Prozess wurde geprägt durch eine Dialogkultur, die jederzeit zur Diskussion über einzelne Werte einlud. Selbstverständlich gehört zu dieser Auseinandersetzung auch das Beschreiben von Positiv- und Negativsanktionen bei Einhaltung bzw. Nichteinhaltung unserer festgelegten Werte. An dieser Stelle möchte ich auch darauf hinweisen, dass es sich bei einer solchen Wertpriorisierung immer auch um einen Prozess handelt, in dessen Verlauf die Priorisierung immer wieder von neuem hinterfragt und überprüft werden muss.

 

Wie wird sichergestellt, dass die Werte in der Unternehmensgruppe und ihren Einzelgesellschaften gelebt werden?
Die gemeinsam erarbeiteten Werte werden in unternehmensbezogenen Gesprächen wie Einstellungs- und Zielvereinbarungsgesprächen immer wieder von den Leitungskräften in Erinnerung gerufen, sie werden in verschiedensten Formen visualisiert und an neue Mitarbeiter*innen/ Kooperationspartner*innen kommuniziert. Und für uns sehr wichtig: jede grundlegende Entscheidung innerhalb der Unternehmensgruppe wird auf die Verträglichkeit mit unseren Werten überprüft.

 

Die Werteerziehung ist im Kontext der sozialen Arbeit sicherlich eine der großen Herausforderungen. Wie wird dieser Herausforderung in ihrer Unternehmensgruppe begegnet?
In der sozialen Arbeit steht für uns die Begleitung der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen zu einer eigenständigen Persönlichkeit im Vordergrund. Eine der dafür notwendigen Grundlagen ist die Entwicklung eigener Wertvorstellungen. Erreicht werden kann dies durch das Vermitteln von Sicherheit und Orientierung. Auch hier spielt die Vorbildfunktion der verantwortlichen Pädagoginnen und Pädagogen eine zentrale Rolle.

 

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Welcher Wert hat für Sie persönlich denn besondere Bedeutung und warum?
Persönlich möchte ich die oben genannten Werte um den Wert der Toleranz ergänzen. Dies resultiert aus meiner Vorstellung, dass ein fruchtbares und inspirierendes Miteinander nur möglich ist, wenn man Diversität zulässt und akzeptiert, dass man sich immer wieder vor Augen führt, dass es mehr als nur eine Meinung gibt. Toleranz zeichnet sich dadurch aus, bewusst Differenzen zuzulassen, anderen Überzeugungen positiv zu begegnen. Darum bemühe ich mich nicht nur im privaten, sondern auch im beruflichen Kontext.

Angesichts mancher gesellschaftlichen Entwicklung muss dies natürlich auch manchmal seine Begrenzung finden. Um mit dem Philosophen Karl Popper zu sprechen: wir sollten uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren.