Die besonderen Chancen für junge Menschen durch die Betreuungsform in häuslicher Gemeinschaft

1. Mai. 2021Betreuungsstellen, Bewerber*innen, Jugendämter

Die aktuelle Pandemie stellt für alle Familien eine große Herausforderung dar. Für Pädagog*innen, die sich dazu entschieden haben, junge Menschen mit besonderen Bedarfen aufzunehmen, trifft dies gleichermaßen zu. Die besondere Verschmelzung von Arbeit und Leben bietet jedoch auch besondere Chancen, mit dieser Situation umzugehen.

So wurde in einer Erziehungsstelle der Region Ost bei der h&p Baden-Württemberg Kinder-, Jugend- Familienhilfe gGmbH eine lange bestehende, jedoch immer wieder verworfene Idee aufgegriffen: schon immer war dort die Überlegung und der Wunsch da, die Gemeinschaft, um einen Hund zu bereichern. Zum einen war dieser Wunsch aus dem Interesse der gesamten Familie entstanden; zum anderen aber wurde es auch als pädagogisches Medium in der Arbeit mit dem jungen Menschen angedacht. Der erste Schritt war die Erstellung einer Pro- und Kontraliste. Erwachsene und die jungen Menschen berieten gemeinsam, wodurch ein intensiver gemeinsamer Abwägungsprozess entstand. Deutlich erkennbar war, dass die Kontraseite der Erwachsenen größer als die der jüngeren Familienmitglieder war. Es war ein ernsthafter Prozess der gemeinsamen Auseinandersetzung mit einer gewichtigen Thematik, denn es sollte sowohl für die gemeinsame Lebensgestaltung sowie über die Verantwortungsübernahme für ein Lebewesen eine Entscheidung getroffen werden. Die Ernsthaftigkeit der jungen Menschen in ihren Überlegungen und Abwägungen war beeindruckend. Es wurde auch aufgrund dessen für die Aufnahme des Hundes entschieden. Ein wichtiger Grund hierfür war auch die Entscheidung für ein kollektives Familienprojekt: gemeinsam eine neue Aufgabe zu starten und durchzuziehen; gemeinsam Verantwortung tragen und dadurch Verantwortung teilen.

Hier zeigt sich eine wesentliche Stärke der Angebote in häuslicher Gemeinschaft: Die betreuten jungen Menschen sind Teil der Gemeinschaft, somit gestalten sie auch solch gewichtige Prozess und Entscheidungen mit; sie werden gehört und sie übernehmen Verantwortung durch diese praktizierte Partizipation, die auch maßgeblich zur Reifung der Gesamtpersönlichkeit der jungen Menschen beiträgt.

Eine solche Entscheidung bedeutet aber auch: Warten. In der Erziehungsstelle zog „Lizzy“, eine 8 Wochen alte Golden Retriever Hündin, nach einer 6-monatigen Wartezeit in der Familie ein. Bis zuletzt befürchtete der betreute junge Mensch, dass das Projekt noch scheitern könnte; denn Vertrauen fällt ihm schwer. Dass sein großer Wunsch dann tatsächlich trotz der langen Wartezeit in Erfüllung ging, war für ihn eine sehr gewichtige Erfahrung, die ihn in seiner emotionalen Entwicklung stärkt. Darüber hinaus berichtet die Pädagogin immer wieder erstaunt, wie liebevoll der junge Mensch mit der Hündin umgeht. Wenn er sie zu sich ruft, liegt etwas Zärtliches in seiner Stimme. Er kuschelt sich an sie, streichelt sie und wirkt dabei ruhig und entspannt. Dies ist für ihn ein besonderes Erleben, denn er findet oftmals nicht leicht zur Ruhe. Er hat zudem keinerlei Scheu der Hündin gegenüber und tobt mit ihr durch Haus und Garten. Der junge Mensch lernt im Umgang mit ihr, die Bedürfnisse der Hündin zu erkennen und zu achten. Hierzu muss er auch seine Bedürfnisse manchmal hintenanstellen. Dies erweitert somit seine soziale Kompetenz und fördert den Ausbau seiner empathischen Fähigkeiten. Im Zusammensein mit Menschen ist dies alles für ihn deutlich schwieriger. Es ergeben sich nun im Alltag für ihn die erhofften Lernfelder, Erfahrungen und zukünftig auch Reflexionsmöglichkeiten.

Erziehungsstellen unterliegen jedoch auch im Bereich der Tierhaltung der besonderen Verantwortung der öffentlichen Erziehung. Insofern ist die artgerechte Hundehaltung stets im Blick des Trägers, so dass der Umgang mit dem Hund für den jungen Menschen gefahrlos ist. Daher sind auch ein konsequentes Training, artgerechte Beschäftigung und die Förderung des Hundes durch die Fachkraft kontinuierlich zu gewährleisten ebenso wie eine verlässliche medizinische Versorgung des Tieres.

Für die Erziehungsstelle der Region Ost in der h&p Baden-Württemberg Kinder-, Jugend-, Familienhilfe gGmbH war es die richtige Entscheidung, die sie alle miteinander getroffen haben. Ein Zeichen für die Richtigkeit dieser Entscheidung ist folgendes Zitat des jungen Menschen: „Ein großer Wunsch von mir ging in Erfüllung. Hunde machen mich glücklich! Ich habe viel Spaß mit ihr. Sie hat mein Leben schöner gemacht!“